Mathematik im Auftrag des Verbraucherschutzes – Klassifikation von Altersvorsorgeprodukten

Mathematik hat viele Anwendungen, besonders in Kaiserslautern, wo es mit dem Fraunhofer Institut Techno- und Wirtschaftsmathematik – von uns auch liebevoll ITWM genannt – das weltweit größte Forschungs­­institut für Mathematik in der Industrie und in der Gesellschaft gibt. Aber „Verbraucher­schutz“ war auch dort bis vor kurzem noch kein Thema.

Seit ein paar Jahren ist es uns, genauer der Abteilung Finanzmathematik am ITWM, ge­lun­gen, die Aufgabe der Chancen-Risiko-Klassifizierung staatlich geförderter Altersvorsorge­pro­dukte, landläufig als Riester-Rente und Rürup-Rente bezeichnet, im Auftrag des Bundes­ministe­ri­ums für Finanzen durchzuführen. Dazu musste eigens eine gemeinnützige GmbH, die Pro­dukt­­informationsstelle Altersvorsorge („die PIA“), gegründet werden.

Was geschieht dort aber und warum hilft es dem Verbraucher?

Zunächst bedeutet der Abschluss eines Altersvorsorgevertrags eine große Ausgabe, neben einem Haus- oder Wohnungskauf vielleicht die größte Ausgabe im Leben, aber auch eine sehr wichtige, da hierdurch Altersarmut vermieden werden soll.

Wie kann man entscheiden, was ein gutes Altersvorsorgeprodukt ist und ob es für einen persönlich geeignet ist?

Berater werden einem in der Regel erzählen, dass ihre Produkte toll sind und man mit ihnen sorgenfrei dem Alter entgegensehen kann. Hm, was sonst. Aber wohl kaum jemand will tie­fer in die Materie einsteigen und alle versicherungsmathematischen Prinzipien der unter­schied­lichen Produkte verstehen, die oft tolle, blumige, manchmal auch schrecklich techni­sche Namen haben, die oft nicht viel über die Eigenschaften der Produkte an sich aussagen.

Um dem Normalverbraucher, der im Übrigen meist kein Finanz- oder Versicherungsmathe­matiker ist, hier eine einfache und objektive Hilfe zu geben, stuft die PIA jedes dieser Pro­dukte in eine von fünf sogenannten Chancen- Risiko-Klassen (CRK) ein. Dabei bedeutet die CRK 1, dass man ein Produkt erwirbt, bei dem man mindestens sein eingezahltes Geld und erhaltene staatliche Zulagen zum Rentenbeginn in eine Rente umwandeln kann. Großes Potential für große Gewinne besitzt ein CRK 1-Produkt nicht, aber es birgt auch keine großen Risiken. Ein CRK 5-Produkt hingegen besitzt großes Ertragspotential, aber auch hohe Risiken und besitzt keinerlei Garantie, dass das zu Beginn der Rente verfügbare Kapital überhaupt das eingezahlte Kapital übersteigt. Die restlichen CRK 2, 3, 4 liegen von ihren Eigenschaften zwischen den beiden Extremen.

Wie passt das zu mir?

Eine weitere Kaiserslauterer Entwicklung – diesmal des EI-QFM ist ein Testverfahren, mit dem sich durch die Beant­­­wortung weniger Fragen und einer Selbstein­schätzung die persönliche CRK ermitteln lässt. Man weiß nach Durchführen dieses Tests also, welche CRK zum persönlichen Charakter passt. Aber Vorsicht, manchmal kann man sich das präferierte Risiko nicht leisten, wenn es die eigene finanzielle Situation nicht zulässt.

Wie werden die CRK für die PIA ermittelt?

Hierzu werden 10.000 Kapitalmarktentwicklungen für die nächsten 40 Jahre simuliert und zwar mit Modellen für Aktienfonds und Zinsentwicklungen, die auch bei uns in der Financial Mathematics- bzw. der Interest Rate Theory-Vorlesung gelehrt werden. Auf der Basis dieser Kapitalmarktentwicklungen werden nun 10.000 Endvermögen eines zu klassifizierenden Produkts berechnet und daraus jeweils ein Ertrags- und ein Risikomaß berechnet. Dieses Paar von Maßen bestimmt dann, zu welcher CRK das Altersvorsorgeprodukt gehört.

Die Beschreibungen der CRK in Prosa (also gemäß Gesetzestext) und mehr Informationen über die Mathematik hinter der Klassifizierung findet sich z.B. in einigen Geschichten des Buchs „Mathe, Märkte und Millionen“ (Ralf Korn, Bernd Luderer), das 2019 im Springer-Verlag erschienen ist oder auch auf der Homepage der PIA.