Rekalibrierung – Jährlicher TÜV für mathematische Modelle?

Jeder weiß, dass ein Auto alle zwei Jahre (anfangs erst nach drei Jahren) zur technischen Untersuchung („zum TÜV“) muss, damit seine technische Sicherheit überprüft und für weitere zwei Jahre bescheinigt werden kann. Was hat das aber mit mathematischer Modellierung oder genauer mit verwendeten mathematischen Modellen zu tun?

Nun, mathematische Modelle sind durch ihre Parameter bestimmt, die man beim Beginn ihrer Anwendung so gewählt hat, dass das Modell die Wirklichkeit möglichst gut beschreibt. Solche Parameter können z.B. die mittlere Lebensdauer einer Glühbirne oder aber die Kurve der mittleren Zinsraten für Anleihen mit verschiedenen Laufzeiten (z.B. die Nelson-Siegel-Svensson-Kurve (NSS-Kurve), die auch die Bundesbank verwendet) sein.

Während man die mittlere Lebensdauer aus Beobachtungen der Vergangenheit oder aus Laborversuchen des Herstellers geschätzt hat und sich dabei eigentlich nichts ändern sollte, ist dies bei der NSS-Kurve etwas anderes. Hier wird man sich Marktpreise der Anleihen verschiedener Laufzeiten anschauen und dann die mittlere Zinsrate so bestimmen, dass die Summe der (quadratischen) Abweichungen der tatsächlichen Preise von der NSS-Kurve möglichst klein wird. Man hat die NSS-Kurve an die Marktdaten „kalibriert“ (also die bestmöglichen Parameter bestimmt).

Da die heute beobachtete Zinssituation aber vermutlich nicht mehr der entsprechen wird, die z.B. in einem Jahr relevant ist, werden die Parameter der NSS-Kurve fortlaufend (z.B. täglich) von der Bundesbank neu bestimmt, also „rekalibriert“. Man kann das kritisch sehen, denn das heißt ja, dass man fortlaufend sein Modell ändert, weshalb man es auch mit Bedacht tun sollte und nur dann, wenn es wirklich notwendig erscheint.

In unserer Kaiserslauterer Anwendung für das Finanzmarktmodell, das der Klassifizierung von staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten zu Grunde liegt (das PIA-Basismodell), wird deshalb auch nur jährlich rekalibriert und die neue Kalibrierung muss von einem wissenschaftlichen Beirat genehmigt werden. Also, alles fast so wie „beim TÜV“ …