Der von Neumannsche Elefant

(Der folgende Beitrag stammt von meinem Kollegen Prof. Dr. BERND SIMEON. Er verwendet dabei auch Teile aus seinem beim Springer Verlag erschienen Buch Die Macht der Computermodelle. Informationen zum Buch sind unter https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-66299-1 zu finden.)

Auf John von Neumann, den Mathematiker, Informatikpionier und wissenschaftlichen Tausendsassa, geht das folgende Bonmot zurück: „With four parameters I can fit an elephant, and with five I can make him wiggle his trunk.” Was wollte er damit ausdrücken?

Zunächst ein paar Worte zu seiner überaus schillernden Lebensgeschichte. John von Neumann, geboren 1903 als János Lajos Neumann von Margitta in Budapest, war ab 1933 als Professor für Mathematik und Kollege von Albert Einstein am Institute for Advanced Study in Princeton, USA, tätig.  Er war ein weit über Mathematik und Physik hinaus bekannter Wissenschaftsstar, der zunächst Chemieingenieurwesen an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin, der späteren Humboldt-Universität, studierte, sich parallel dazu aber mit tiefliegenden Fragen der axiomatischen Mengenlehre beschäftigte. Damit promovierte er 1926 in Budapest. Schon kurz darauf war er als Privatdozent in Berlin sowie an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich tätig und arbeitete in Göttingen, damals ein Mekka der Mathematik, mit David Hilbert zusammen. Zwischen 1929 und 1933 pendelte er zwischen der Princeton University und Deutschland, dem er dann mit 30 Jahren den Rücken kehrte, um eine der sechs Gründerprofessuren am Institute for Advanced Study anzutreten.

Zu Beginn hatte ich von Neumann als wissenschaftlichen Tausendsassa bezeichnet. Diese Charakterisierung mag übertrieben klingen, aber seine Beiträge zu verschiedensten Wissenschaftsgebieten sprechen eine klare Sprache. Chemie, Informatik, Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften – in all diesen Disziplinen war er tätig und verfasste Wegweisendes. Im Zweiten Weltkrieg war er als Berater für die US Army und Navy tätig, ab 1943 im Rahmen des Manhattan-Projektes in Los Alamos. Die Entwicklung der ersten Computer prägte er in den Nachkriegsjahren maßgeblich und führte den Bauplan mit Arbeitsspeicher und Zentralprozessor ein, der noch heute die Standardarchitektur darstellt. Neben diesen wissenschaftlichen Meriten trug von Neumann auch den Spitznamen „Good Time Johnny“, eine Anspielung auf seine Vorliebe für Partys und glamouröse Veranstaltungen, auf denen er mit der gesellschaftlichen Elite parlierte und so rasch zu einer führenden öffentlichen Persönlichkeit mit besten Verbindungen avancierte.

Eine seiner vielen Pioniertaten war die erste computerbasierte Wettervorhersage, die im März 1950 mehrere Wochen Rechenzeit auf einem der frühen Computer, dem ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Computer) in Philadelphia, in Anspruch nahm.  In diesem Zusammenhang, dem Berechnen von Prognosen mittels mathematischer Modellgleichungen und numerischer Algorithmen, ist auch das Zitat vom von Neumannschen Elefanten zu sehen.
Denn bei vielen Computermodellen gehen zahlreiche Parameter ein, physikalische Größen oder auch nur aus Daten generierte krude Hilfsgrößen, die oft nur grob bekannt sind und die Ergebnisse stark beeinflussen können. Um im Bild des Elefanten zu bleiben: Es reichen nach John von Neumann also vier Parameter, um ein Simulationsergebnis so anzupassen, dass die Gestalt eines Elefanten herauskommt. Und bei fünf Parametern wackelt dann sogar der Rüssel. Mit anderen Worten: Mit geschickter Manipulation der Parameter kann man eine große Bandbreite an Lösungen produzieren. Das, was ein Computermodell zu prognostizieren vermag, bedarf demnach einer vielschichtigen und abwägenden Interpretation seitens seiner Entwickler. Diese mahnenden Worte sollten alle, die sich mit Simulation und Prognosen beschäftigen, stets aufs Neue bedenken.

John von Neumann starb allzu früh bereits 1957, doch sein wissenschaftliches Oeuvre ist heute genauso aktuell wie zu seinen Lebzeiten.

Literatur dazu:  Halmos, P.: The Legend of John von Neumann. Amer.Math.Monthly 80 (1973)