Groß und größer oder: Das ist doch alles endlich und damit trivial!

(Der folgende Beitrag stammt von meinem Kollegen Prof. Dr. SVEN KRUMKE und illustriert die Notwendigkeit von effizienten Algorithmen bei einfach scheinenden Problemen, die aber trotzdem auch von Supercomputern nicht in annehmbarer Zeit durch bloßes Vergleichen aller Möglichkeiten gelöst werden können. Effiziente Algorithmen lernt man in seinen Vorlesungen zur diskreten Optimierung kennen.)

In der diskreten Optimierung geht es um optimale Entscheidungen vom Typ „Ja oder Nein“. Will man beispielsweise einen Spielplan für die 18 Mannschaften der 1. Fußball-Bundesliga erstellen, so muss man für jeden Spieltag und jede Paarung von Mannschaften entscheiden, ob diese Mannschaften an diesem Tag gegeneinander spielen sollen. Die Antwort lautet dann „Ja“ oder „Nein“. Im Fall der Spielpläne gibt es für jede der 18 Mannschaften pro Spieltag höchstens 17 mögliche Gegner (wir schreiben „höchstens“, weil ja einige Gegner nicht mehr zur Verfügung stehen, da ein Spiel gegen diese Gegner schon stattgefunden hat). Insgesamt gibt es nur endlich viele Möglichkeiten, einen Spielplan zu erstellen. Das ist doch dann ein einfaches Problem, weil man alle Möglichkeiten mit einem schnellen Computer ausprobieren kann, oder? Und schon gar nicht braucht man MathematikerInnen, die sich schlaue Methoden einfallen lassen, um unter allen Spielplänen einen „besten“ herauszufinden…

Man kann beweisen, dass es alleine für die ersten vier Spieltage schon eine ganze Menge Möglichkeiten gibt, und zwar:

N = 2413330644585424381613981025933409123414057800279685591129079380630588531494140625

Wir bezeichnen diese Zahl im Folgenden kurz mit N, damit wir sie nicht immer komplett hinschreiben müssen. Die Zahl N sieht schon ziemlich groß aus, aber wir haben ja furchtbar schnelle Computer.

Der aktuell (nach der sogenannten Top 500 Liste, Stand November 2023) schnellste Super-Computer der Welt ist der sogenannte Frontier Computer mit einer Rechenleistung von 1679,82 PetaFLOPs. Ein PetaFLOP bedeutet tausend Billionen oder eine Billiarde Operationen pro Sekunde und stellt eine extrem hohe Rechengeschwindigkeit für eine einzelne Maschine dar. Die 1679,82 PetaFLOPs sind damit

1679,82 * 1000000000000000 = 1679820000000000000

Rechenoperationen pro Sekunde, also ganz schön viele!

Wenn wir jetzt annehmen, dass unser Super-Computer in jeder Sekunde tatsächlich 1679820000000000000 Möglichkeiten ausprobiert, dann
braucht er dafür

N / 1679820000000000000 >= 1436660263948175626920730212721249373988914169541787567197127895

Sekunden. Das sind

45556198121136974471103824604301413431916354944881645332

Jahre!

Das zeigt, dass wir uns so richtig große Zahlen nicht vorstellen und schon gar nicht in Relation zueinander setzen können. Um dies noch einmal zu verdeutlichen, machen wir ein Gedankenexperiment, für das wir nicht mehr als etwas Schulmathematik benötigen. Wir versuchen uns die Zahl

2 hoch 60 = 1152921504606846976

zu veranschaulichen. Diese Zahl ist, wie jeder sicher zugeben wird, deutlich kleiner als die Zahl N von oben.

Eine Standard Cola-Dose hat einen Durchmesser von 5.8 cm und eine Höhe von 14.6 cm. Legt man einen Standard-Fußballplatz mit 105 m Länge und 68 m Breite zu Grunde, so passen damit in der Länge 105*100/5.8 also ca. 1909 Dosen und der Breite 68*100/5.8 also 1172 Dosen hin. Damit können wir das Spielfeld mit 1909*1172=2.237.348 Cola-Dosen zupflastern. Der Einfachheit halber runden wir diese Zahl auf 2.500.000 auf, das sind also 2.5 Millionen Dosen.

In der Fußball-Bundesliga gibt es 18 Vereine, also brauchen wir

18 * 2.237.348 = 40.272.264

Cola-Dosen, um alle Stadien mit einer Lage Dosen zuzustellen. Das sind schon ganz schön viele Cola-Dosen, aber unsere Zahl 2 hoch 60 ist noch viel größer. Wir können nämlich

1.152.921.504.606.846.976 / 40.272.264 = 28.628.177.065,2

Lagen Dosen mit unseren 2 hoch 60 Dosen stapeln. Bei einer Höhe von 14.6 cm ergibt das auf jedem der 18 Fußballplätze einen Turm aus Cola-Dosen der Höhe von

28.628.177.065,2 * 14.6 / (100*1000) = 4.179.713,85151 Kilometern.

Zum Vergleich: Der Abstand der Erde bis zum Mond beträgt

384.400 km

und ist damit um mehr als einen Faktor 10 kleiner.

Wenn wir 2 hoch 60 Cola-Dosen haben, dann können wir alle 18 Fußballstadien der ersten Fußball-Bundesliga mit diesen Dosen so vollstellen, dass auf jedem Fußballplatz ein Turm der Höhe 10 Mal so groß wie der Abstand von der Erde zum Mond entsteht. Das kann man sich eigentlich nicht vorstellen, oder? Davon abgesehen, dass ein solcher Turm umfällt oder aufgrund seines Gewichts in den Fußball-Rasen einsinken würde…

Fazit: Vorstellen von großen Zahlen ist sehr schwierig und vor allem benötigt man clevere Methoden der Mathematik, auch um bei endlich vielen Möglichkeiten eine beste zu berechnen!